Historische Baustoffe Historische Baustoffe – Hochbrandgips, Sumpfkalk, Weißfeinkalk
Seit 2002 wird in der Hundisburger Baustoffmanufaktur der historische Baustoff „Hochbrandgips“ hergestellt.
Es liegt bei uns eine jahrzehntelange Erfahrung im Brennen von Baustoffen durch die früher betriebene Ziegelproduktion vor. In den 1990er Jahren hat sich die Situation bei der Sanierung von Gipsmauerwerk auch in Sachsen-Anhalt sehr dramatisch dargestellt – eine Vielzahl von Sanierungsschäden musste festgestellt werden.
Auf Grund der Anregung seitens des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie des Landes Sachsen-Anhalt“ konnte so nach gründlicher Vorbereitung im Jahr 2001 / 2002 ein erster erfolgreicher Brennvorgang zur Herstellung von Hochbrandgips durchgeführt werden.
Ab dem Jahr 2002 erfolgte im Neuen Museum in Berlin die erste erfolgreiche Verarbeitung unserer Hochbrandgipse. Es wurden unter anderem eine Vielzahl von Fußböden und Türgewänden bearbeitet.
Im Jahr 2003 wurde eine erste Mauerwerkssanierung im Außenbereich (Dorfkirche Großörner) umgesetzt.
Hintergrund:
Gips als Bindemittel, Innenputze, Estriche, Stuckgipse oder Spachtelmasse stellt einen Baustoff dar, der heute aus der Öffentlichkeit nicht mehr weg zu denken ist. Der Baustoff Gips bildet die Grundlage für eine Vielzahl von Plattenerzeugnissen. Den Bauschaffenden begegnet dieser Baustoff täglichen bei der Ausführung verschiedener Arbeiten. In diesem Zusammenhang wird streng darauf geachtet, dass der Einsatz nicht im Außenbereich bzw. in einer feuchten Umgebung erfolgt. Eine Anwendung mit statisch tragenden Eigenschaften wird ausgeschlossen.
Wie kann es dann sein, dass Bauwerke bereits vor vielen Jahrhunderten mit einem Gipsmörtel erbaut wurden und ständig der Bewitterung widerstanden haben. Diese Bauwerke weisen auch heute noch einen sehr guten Bestand auf. Fest zu stellen ist des Weiteren, dass bei sach- und fachgerechter Instandsetzung und Unterhaltung diese Gebäude die Möglichkeit haben, auch weiterhin bestehen zu können.
Der augenscheinlich bestehende Widerspruch lässt sich wie folgt aufklären: Aus bestimmten Gipsgesteinen, die in der Natur vorkommen, wird unter Zufuhr von Energie das gebundene innere Wasser ausgetrieben. Ein Vorgang, der seit je her zu dem Gipspulver führt, das so vielfältige Verwendung findet. Die unterschiedlichen Eigenschaften und Anwendungen lassen sich jeher in den unterschiedlichen Temperaturbereichen beim Brennvorgang begründen.
Die modernen Gipse werden bei ca.150 bis 200 °C entwässert.
Die historischen Hochbrandgipse wurden bei ca. 750 bis 900 °C entwässert.
Die Brenntemperaturen (ca. 750 bis 900 °C) bedingen die zu erreichende Qualität mit den erforderlichen statischen Werten und der gegebenen Witterungsbeständigkeit der historischen Gipse bzw. des heutigen Hochbrandgipses.
Auf Grund der erforderlichen hohen Brenntemperaturen für die Bearbeitung des Gipsgesteines entstand die Bezeichnung HOCHBRANDGIPS.
Aus der Geschichte des Hochbrandgipses
Erste Anwendungen von gebranntem Gips sind in Kleinasien um 9000 v. Chr. bekannt. Die Cheopspyramide von Gizeh wurde um 2800 v. Chr. mit Gipsmörtel errichtet. In der Antike sind auf Kreta Gipsestriche (Hochbrandgipse) nachgewiesen. In Griechenland und Äthiopien sind gebrannte Gipse für Bauarbeiten belegt. Vitruv spricht in „de architectura“ von der Verwendung von Gips und Kalk als Mörtel bei der Errichtung von Bauwerken.
Im Mittelalter sind vermehrt Anwendungen von gebranntem Gips in Italien, Frankreich und Deutschland belegt. Gerade im Harzbereich, im Frankenland und in Norddeutschland sind eine Vielzahl von historischen Gebäuden bekannt. Die Anwendung des Hochbrandgipses als Maurermörtel oder Stuckgips belegen die vielfältige Verwendung bei den Bauarbeiten.
Mit der weiteren Verbreitung von Zementen als Bindemittel wird die Verwendung des Gipses eingeschränkt. Die guten Eigenschaften des Hochbrandgipses geraten so Stück für Stück in Vergessenheit.
Im 19. Jh. kann davon ausgegangen werden, dass die Verwendung von Hochbrandgips nicht mehr bzw. nur noch in sehr geringem Umfang stattfindet. Es gerät so auch die Herstellung des Hochbrandgipses in Vergessenheit. Gleichzeitig werden Schadensbilder bei Sanierungsarbeiten beschrieben, die auf die Verwendung von Zementen (hydraulischen Bindemitteln) bei Anwesenheit von historischem Gipsmörtel zurück zu führen sind.
Seit gut 100 Jahren ist man bemüht, dem Auftreten von Treibmineralen (Ettringit und Thaumasit) entgegen zu wirken.
In den 80er Jahren des 20. Jh. begann man im Südharz, Versuche mit dem Nachstellen des historischen Hochbrandgipses in traditioneller Brenntechnologie durchzuführen.
Mit Beginn des 21. Jh. werden die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen um mögliche Sanierungsverfahren verstärkt. Es ist hier festzustellen, dass auf Grund von Schadensbildern ein erheblicher Entwicklungsdruck bestand bzw. besteht. Die Wiederbelebung der historischen Hochbrandgipstechnologie kann in diesem Zusammenhang als ein wichtiger Schritt angesehen werden. Bei Arbeiten im gipshaltigen Mauerwerk besteht so die Möglichkeit, bei gegebener Materialgleichheit die Bildung von Treibmineralen auszuschließen.
Seit dem Jahr 2000 wird hier der historische Baustoff „Sumpfkalk“ hergestellt. Die Arbeiten begannen auf Initiative und in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt unter dem Motto „Wiederbelebung historischer Kalkmörteltechnologien“.
Grundlage für den Sumpfkalk bildet einmal ein in Hundisburg durchgeführter Kalkbrand mit einem Holzfeuer und ein gasgebrannter Brandkalk. Die Rohstoffe stammen aus einem Kalksteinbruch aus dem Harz (Rübeland).
Hintergrund:
Seit mehreren tausend Jahren wird Kalk als Bindemittel für Baustoffe verwendet. Viele historische Gebäude, die uns heute noch die Geschichte der Kulturräume überliefern, wurden mit diesem Material hergestellt. Besonders im Umgang mit Altbausubstanzen werden wir mit Materialien und Techniken konfrontiert, die auch heute noch ihren Stellenwert haben.
Baumaterialien wurden fast immer aus regionalen Vorkommen gewonnen und so zeigen die Kalke oft eine Eigenfarbigkeit, die heute im Handel fast nicht mehr erhältlich ist. Der Kreislauf des Kalkes veranschaulicht auch einen Einklang mit der Natur durch die Nutzung von einfachen Ressourcen, die immer wieder zur Verfügung stehen.
Das Material Kalk und seine historische Verwendung
Das wichtigste existente Bindemittel in der Baugeschichte ist das Bindemittel Kalk. Seit tausenden von Jahren verändert der Mensch simplen Kalkstein durch Brennen, löscht diesen Branntkalk und verwendet ihn, um Mörtel für Mauerwerke und Putze oder als Kalkanstrich und Wandmalerei einzusetzen. Die Herstellungstechniken verändern sich durch die Jahrhunderte, aber das Ausgangsprodukt und das Endprodukt bleibt dasselbe. Immer wieder versuchte der Mensch, auch dieses Material zu verbessern, für verschiedene Zwecke werden Zusätze beigegeben, aber die meisten dieser „Verbesserungen“ werden wieder evolutionär ausgeschieden.
Kalkbrennen
Um Kalk zu brennen, muss man den Kalkstein (CaCO3) einfach eine gewisse Zeit einer Temperatur von 900 – 1000 °C aussetzen und das Kohlendioxyd (CO2) entweicht in die Luft. Das Resultat ist Branntkalk (CaO).
Zu Beginn war die Technik des Kalkbrennens recht einfach. Es wurde eine Mulde im Boden ausgehoben, die Wände mit Steinen verkleidet und dieser Ofen abgebrannt. Diese Technik ist immer noch in Asien und Afrika gebräuchlich, genauso wie das Brennen von Ziegeln in sogenannten „Feldöfen“. Ähnliche Techniken wie der „Meilerofen“ haben sich traditionell bewährt in Gebieten, wo überall Kalkstein anzutreffen ist oder wo die Verkehrswege einen Transport von Branntkalk erschweren.
In der Hochblüte des römischen Reiches entwickelten sich die Schachtöfen, welche sich in ganz Europa verbreiteten. Diese Öfen sind in Kalksteinbrüchen aufgestellt. Sie waren um einiges effektiver, da sie durch die bessere Temperaturverteilung weniger Brennmaterial brauchten und eine gleichmäßigere Materialqualität hervorbrachten. Nach dem Niedergang des römischen Reiches verschwanden diese Öfen wieder aus der Bautradition, die Kalkherstellung war wieder auf die Feldöfen der Nomaden zurückentwickelt.
Im Mittelalter wurden die Schachtöfen jedoch wieder von Italien aus in ganz Europa verbreitet und in Schottland wurde begonnen mit Kohle zu brennen.
Ende des 19. Jh. entwickeln sich die Ringöfen und später die Zick-Zack-Öfen, in denen kontinuierlich Ziegel und Kalk gebrannt wurde. Heute wird hauptsächlich in kontinuierlichen Schachtöfen, in Ringöfen, den Drehrohröfen oder den Wopfingeröfen mit Gas gebrannt. Die Effektivität und Gleichmäßigkeit der Kalkqualität ist heute sehr hoch, nicht zuletzt aus dem Grunde, dass nur reinste Kalksteinsorten gebrannt werden.
Kalklöschen
Der gebrannte Kalk (CaO) wird mit Wasser in Verbindung gebracht und es entsteht Kalkhydrat (Ca(OH)2). Dieses Kalkhydrat wird zum Binden von Sanden im Mörtel, von Pigmenten in Farben oder als Anstrich beim Weißtünchen eingesetzt.
Der Stückkalk, der an die Baustelle angeliefert wurde, musste immer so schnell wie möglich verarbeitet werden. Eine Methode war, den gebrannten Kalk mit Wasser zu versetzen, die Steine zu einem Brei von Kalkhydrat zerfallen zu lassen und in Kalkgruben abzulagern. Bei diesem Ablagern in der Grube sinken Verunreinigungen und ungebrannte Bestandteile des Kalkes zu Boden, der Kalk wird gereinigt. Gleichzeitig vergrößern sich mit der Zeit die blätterigen Kalkhydratkristalle und sie können so größere Brücken schlagen, das heißt, sie haben eine bessere Bindekraft.
Schon Vitruv (1. Jh. vor Chr.) bringt genaue Vorschriften, wie lange Kalk abgelagert werden muss, um seine volle Qualität entfalten zu können.
Da jedoch gerade für große Bauwerke Unmengen von Kalk benötigt werden, welcher von verschiedenen Brennöfen angeliefert wurden, entwickelte sich auch das sogenannte „Trockenlöschen“, bei welchem Sand in Lagen abwechselnd mit Stückkalk aufgelegt und dann mit Wasser übergossen wurde. Der Sand nimmt genügend Energie auf, sodass der Kalk nicht „verbrennen“ kann. Es entsteht ein fertiger Mörtel, welcher nur durchgerührt und mit zusätzlichem Wasser versehen werden muss.
Die moderne Technologie versteht heute unter „Trockenlöschverfahren“, dass gemahlener Stückkalk durch Wasserdampf geblasen wird und dabei nur so viel Wasser aufnimmt, dass Kalkhydrat entsteht. Dieses Kalkhydrat ist als Pulver auf dem Markt erhältlich. Der Nachteil des trockenen Kalkhydrates ist seine um den Faktor zehn geringere spezifische Oberfläche im Vergleich mit Sumpfkalk und damit auch die geringere Bindekraft. Die moderne Herstellung von Sumpfkalk erfolgt durch Löschen des gemahlenen Stückkalkes in großen Löschtrommeln, die Verunreinigungen können auf Grund der Kornfeinheit in der Grube nicht mehr absinken und deshalb findet der Reinigungsprozess nicht mehr statt.
Hydraulische Kalke und hydraulische Zusätze
Da nicht überall reine Kalke, ja im Gegenteil eher selten reinste Kalke vorkommen, wurde gebrannt, was eben vorhanden war. Sehr viele tonige und mergelige Verunreinigungen im Kalkgestein haben nach dem Brennen eine hydraulische Wirkung auf das Material. Amorphe Silikate in sehr feinen Korngrößen reagieren mit dem Kalk und es entstehen Calziumsilikate mit ihren typischen Kristallnadelstrukturen. Diese entstehen unter Einbindung von Wasser und daher härten diese Kalke auch unter Luftabschluss.
Je nach dem Verhältnis zwischen Kalk und Mergel und der Aufteilung der tonigen Einschlüsse in silikatische und aluminatische Phasen reagieren diese Kalke anders. Die Erfahrung und nicht die chemische Analyse brachte die Bauleute wohl zu dem Punkt, wo hydraulische Kalke einzusetzen waren, zum Beispiel im Fundamentbereich. Wenn ein natürlicher hydraulischer Kalk in eine Kalkgrube gelöscht wird, so erhärtet nicht etwa deren gesamter Inhalt, sondern die hydraulischen Bestandteile bilden Klumpen und der Kalk ist mit hartem Gries verunreinigt. Diese reagieren später nicht mehr, die Hydraulizität geht verloren.
Eingesetzt wurden diese Kalke dementsprechend mit dem richtigen Löschverfahren. Das heißt, trockengelöscht entfalteten sie erst ihre vollen Aushärtungseigenschaften. Natürliche hochhydraulische Kalke kennen wir erst seit der Erfindung des Romanzementes, wo experimentell Kalk und Tone gemeinsam gebrannt und aufgemahlen ein sehr schnell und sehr hart abbindendes Material ergeben hat. Es entstand eine Industrie für solche hochhydraulischen Kalke. Ihren Höhepunkt erreichte sie um 1900. Wir kennen die Architektur dieser Zeit mit ihren prächtigen Fassaden, deren Oberflächen uns heute jedoch große Schwierigkeiten in der Restaurierung machen.
Bewusste hydraulische Zusätze kennen wir seit den Römern, die ja bekanntlich Puzzolanerde-Mörtel in großem Masse beim Bau von Hafenanlagen und Aquädukten eingesetzt hatten. Die Puzzolanerde, wie alle vulkanischen Tuffe, haben große Anteile von amorphen Silikaten in verschiedensten Formen und wenn zufällig die richtige Korngröße vorliegt, dann reagiert dieser Zuschlag gemeinsam mit dem Kalk.
Weitere vulkanische Tuffe sind zum Beispiel die unterschiedlichen Trass-Arten in den Alpen und am Rhein. Nieder gebrannte Tone, zum Beispiel nieder gebrannte Ziegel, wirken ebenfalls in gemahlenem Zustand leicht hydraulisch, verbranntes Holz durch den hohen Pottascheanteil (Kaliumcarbonat, Buchenholzasche etwa 18 %) ebenfalls. Wenn wir aus heutiger Sicht historische Rezepturen, zum Beispiel Vitruv, nachstellen wollen, müssen wir ebenfalls bedenken, dass Vulkanerde ausgegraben und zugeschlagen eben nicht nur aus reaktivem Material, sondern hauptsächlich aus Korngrößen besteht, welche nicht reaktiv einfacher Zuschlag sind, unsere Industrie aber heute möglichst reine und fein gemahlene Trasse anbietet, die praktisch nur aus reaktivem Material besteht. Dabei besteht die Gefahr der Überdosierung, welche wir immer wieder beobachten können. Die entstehenden Schäden werden jedoch dem Kalk zugeschrieben und damit eine Abwendung von der ursprünglich sehr guten Technik erreicht.
Weißfeinkalk ist die heutige Bezeichnung von Brandkalk. Dieser feingemahlene und ungelöschte Kalk wurde zu früheren Zeiten als Bindemittel für Maurermörtel, Putzmörtel und Anstrichfarben verwendet. Die Verarbeitung erfolgte vor allen als Heißkalkmörtel. Die TU- Dresden konnte diese historische Technologie in einem DBU-Projekt untersuchen. In der Hundisburger Baustoffmanufaktur konnten im Jahr 2019 das Abschlusskolloquium und ein Workshop zum Thema Heißkalk durchgeführt werden. Der Forschungsbericht zum Thema Heißkalk kann auf der Seite der TU Dresden („Entwicklung eines Weiterqualifizierungsangebots zur Baustoffkenntnis und Anwendung von Heißkalkmörtel an umweltgeschädigtem Mauerwerk historischer Bauwerke“) eingesehen werden. In der Hundisburger Baustoffmanufaktur wird ein WFK T10/2 aus einem Kalkwerk im Harz vertrieben.